Jana

Ein Anfang mit Hindernissen

Janas erster Besuch bei uns war alles andere als ein Erfolg. Sie verbrachte ihre erste Reitstunde weinend und ängstlich auf dem Arm ihres Vaters. Jede Annäherung an das Pferd versetzte Jana noch mehr in Angst und Panik, so dass wir schließlich nach 20 Minuten abbrechen mussten. Daraufhin wandelten wir das Reiten in kurze Besuche um, bei denen wir anfangs nur nach den Pferden schauten, später diese dann streichelten, führten und putzten, bis Jana selbst den Wunsch äußerte, auch mal zu reiten. Nach mehreren Wochen setzte Jana sich für eine kleine Runde auf dem Reitplatz auf das Pferd, war danach völlig begeistert und fragte, wann sie wieder reiten dürfe. Das Eis war gebrochen!

Jana beim PutzenInzwischen hat Jana ihre Ängste vollständig überwunden und nimmt an der vollen Therapeutischen Reitstunde über 60 Minuten teil. Sie ist aufgeweckt, erzählfreudig und sehr begeistert im Umgang mit dem Pferd, was sich im Streicheln, Putzen und Anlegen der Ausrüstung äußert. Mittlerweile ist aus der anfänglichen Angst vor den Pferden Begeisterung und Zuneigung geworden.

Janas rechtseitige Hemiparese zeigt, ähnlich wie nach einem Schlaganfall, Lähmungserscheinungen im rechten Arm und Bein. Das hat weitreichende Auswirkungen auf ihr Gleichgewicht, was sich deutlich in ihrem Gangbild und Fähigkeiten wie z.B. Fahrradfahren oder ähnlichen Balanceaufgaben äußert. Weiterhin fallen ihr motorische Aufgaben oft schwer, vor allem im Bereich der Feinmotorik. Ebenso bereiten Jana Konzentrationsaufgaben über einen längeren Zeitraum Schwierigkeiten.

Trotz ihrer neu erworbenen Begeisterung für das Reiten fragte Jana sehr schnell, nachdem sie auf das Pferd gestiegen war, wann es wieder zu Ende sei. Das veranlasste uns sehr früh das Gelände mit einzubeziehen, um Jana das Gefühl von Zeit und Raum zu vermitteln. Anfangs mussten wir jedoch immer noch in Sichtweite der Mutter bleiben. Jana wurde zunächst geführt, während ich als Therapeutin sie immer am Pferd begleitete und sicherte. Jana hatte ihr Gleichgewicht in der Bewegung auf dem Pferd noch nicht sicher gefunden, erkannte aber zunehmend, wenn sie zu einer Seite rutschte. Sie war aber nach kurzer Zeit so sicher auf dem Pferd, dass sie Übungen wie auf der Seite oder rückwärts reiten ausführen konnte. Zu dieser Zeit war es u.a. das Ziel, dass Jana sich weiter in die Bewegung des Pferdes einfindet, damit einhändiges bzw. freihändiges Reiten realisierbar werden konnte.

Weitere Ziele waren: Janas Gleichgewicht und ihre Koordination der Bewegungen weiter zu festigen. Ein Schwerpunkt der Arbeit sollte weiterhin die positive Verstärkung in der feinmotorischen Arbeit, sowie insbesondere die Stärkung der Motorik der rechten Seite sein. Dies sollte zu einem weiterem Aufbau sozialer Kompetenzen führen. Ihr Selbstbewusstsein sollte weiterhin gestärkt werden, ebenso ihr Selbstwertgefühl, um neuen Situationen bzw. Konfrontationen entgegentreten zu können.

Jana kommt inzwischen selbstbewusst und voller Vorfreude. Die Mutter kann sich gleich nach der Begrüßung wieder entfernen. Jana hilft begeistert und mit gewissem Stolz beim Putzen und Anlegen der Ausrüstung.

Jana auf PferdBeim Reiten hat Jana soviel Selbstsicherheit aufgebaut, dass wir bei schönem Wetter die volle Reitstunde ins Gelände reiten können ohne, dass Jana sich ängstlich nach ihrer Mutter erkundigt. Stattdessen lacht sie viel und sagt, dass sie es schön finde. Bei Übungen in der Halle oder auf dem Reitplatz zeigt Jana deutlich mehr Sicherheit. Sie sitzt inzwischen gut ausbalanciert und elastisch in die Bewegung eingehend auf dem Pferd. Im Schritt kann sie auch freihändig verschiedenen Bewegungen ausführen. Übungen wie z.B. auf der Seite sitzen, führt Jana mit deutlich mehr Sicherheit durch. Die Angst, sich nicht genügend festhalten zu können, gleicht sie nun durch unverkrampftes Sitzen, geschmeidiges Mitgehen in der „Mittelpositur“ und gesteigertem Selbstbewusstsein aus.

Seit einiger Zeit trabt Jana. Anfangs nur einige Tritte und immer durch mich gesichert. Sie konnte sich anfänglich nur geringfügig mit ihrer rechten Hand festhalten, meist ist sie nach wenigen Trabtritten vom Griff abgerutscht. Inzwischen kann sie sicherer mit der rechten Hand zugreifen. Sie rutscht nur noch selten ab und dann meistens erst nach einer ½ bis ¾ Runde Trab, die sie inzwischen allein reitet, ohne direkte Sicherung durch mich. Ich laufe in ca. einem bis zwei Meter Abstand neben her.

Durch die inzwischen sehr abwechslungsreiche Arbeit auf dem Pferd ist es uns gelungen, die Konzentration von Jana über längere Zeiträume aufrecht zu erhalten. An guten Tagen gelingt es ihr sich während der halben Stunde auf dem Pferd durchgehend konzentrieren zu können.

Janas Gangbild hat sich deutlich besser ausbalanciert und gefestigt. Ihre motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, insbesondere mit der rechten Hand, haben sich ebenfalls deutlich verbessert. Jana benutzt ihre rechte Hand häufiger, greift sicherer und kann sie auch in begrenzten Umfang zum Festhalten einsetzen.

Entscheidend hierbei ist jedoch, dass Jana mittlerweile ihre rechte Hand ganz selbstverständlich einsetzt. Mann muss sie nur noch selten daran erinnern, diese zu benutzen. Das hat natürlich einen äußerst wichtigen Trainingseffekt, da sich die Lähmungserscheinungen nur durch häufigen Einsatz minimieren lassen. Die im Reiten erworbenen Fähigkeiten kann Jana mittlerweile gut in andere Bereiche ihres Lebens übertragen. So berichtet die Mutter z.B., dass Jana große Fortschritte mit der Gleichgewichtsfindung auf dem Laufrad macht.

In der weiteren Arbeit werden wir zunehmend mehr Trab und vielleicht auch Galopp miteinbeziehen. Das bereitet Jana einerseits viel Spaß und fördert andererseits weiterhin ihre Koordination, Balance und ihr Selbstbewusstsein. Ebenso werden wir nach wie vor gezielte Übungen für Janas rechte Seite, insbesondere für ihre rechte Hand miteinfließen lassen, um ihre Lähmungserscheinungen weiter zu reduzieren.