Dennis

Dennis zog uns schon zu Beginn der ersten Reitstunde, durch seine sanfte und teilweise leise Art mit uns zu kommunizieren, in seinen Bann. Er ist Autist und fiel durch seine liebenswerte aber auch ängstlich und sehr unruhige Art auf. Auf der einen Seite wirkte er durch sein häufiges Flüstern eher schutzbedürftig, auf der anderen Seite sehr fordernd im Bezug auf die Aufmerksamkeit, die ihm entzogen wurde, wenn sich das Gespräch kurzzeitig an seine Mutter oder meine Mitarbeiterinnen wandte. Es fiel ihm schwer sich auf eine Sache zu konzentrieren und längere Zeit (1-2 Minuten) einem Ablauf zu folgen. Ein besonders großes Problem für ihn war es, Änderungen in seinen gewohnten Abläufen oder Erwartungen zu integrieren. Ebenso stellte sich Warten und Geduld zu haben für Dennis als anspruchsvoll, bzw. kaum zu bewältigende Aufgabe dar. So versuchten wir z.B. die Terminabsprache anfangs so zu wählen, dass die Fahrzeit in Berücksichtigung auf die, im Tagesablauf wechselnde, Verkehrssituation nahezu minuziös geplant wurde, um Wartezeit für Dennis zu vermeiden. Des weiteren mussten wir anfänglich die „Zeit am Pferd“ also Begrüßen, Putzen und Ausrüstung anlegen auf ein Minimum beschränken, da Dennis es nicht verstehen und akzeptieren konnte, nicht gleich loszureiten. Heute ist die Kontaktaufnahme zum Pferd und das Putzen neben dem Reiten ein Hauptbestandteil der Therapie geworden. Dennis beschäftigt sich viel mit den Pferden aus der Therapie, auch wenn er nicht mehr auf dem Hof ist. Häufiges Erzählen und Nachfragen bei seiner Mutter machen das deutlich.

Dennis mit HundEine weitere Schwierigkeit war anfangs die große Panik vor Hunden bzw. ihrem Gebell. Das führte dazu, dass ich meinen eigenen Therapiehund zunächst zuhause ließ, später aber nur noch in wenigen Metern Entfernung anbinden musste. Inzwischen streichelt er den Hund und bezeichnet ihn manchmal sogar als seinen Freund.

Den Pferden gegenüber zeigt Dennis seit der ersten Begegnung großes Interesse und deutliche Zuneigung, jedoch musste sich das Vertrauen zu diesen großen Tieren erst in den ersten Stunden aufbauen. Auch zu mir als Therapeutin und meinen Mitarbeiterinnen konnte innerhalb weniger Stunden eine tragfähige Vertrauensbasis geschaffen werden. Dennis kommt seit der ersten Stunde hoch motiviert zum Reiten, zudem berichtet seine Mutter, dass er sich zuhause viel mit dem Thema Pferd und Reiten beschäftigt. Er kennt inzwischen die Fachbegriffe der einzelnen Pferdefarben, sowie die verschiedenen Futtermittel der Pferde.

Dennis fand innerhalb weniger Stunden sein Gleichgewicht in der Bewegung auf dem Pferd. Sein schnelles Einfinden in die Bewegung des Pferdes und sein Vertrauen ermöglichten es ihm schon nach kurzer Zeit einhändig bzw. ohne sich am Gurt festzuhalten, auf dem Pferd zu sitzen. Als es möglich war, die nächst schnellere Gangart des Pferdes, den Trab , mit in die Arbeit einfließen zu lassen, wurde eine deutliche Steigerung seines Selbstvertrauens und seiner Koordination erreicht. Hierbei wird Dennis immer durch mich gesichert.

Dennis auf PferdDie Kommunikation während dem Reiten ist sehr ausgeprägt, wobei Dennis immer wieder mal in stereotypisch wiederkehrende Fragemuster kommt, die wir mittlerweile gut durch Ablenkung unterbrechen können. Auch anfängliche Schreiausbrüche haben sich völlig eingestellt.

Anfänglich arbeiteten wir daran, dass Dennis lernte, sich von Zwiegesprächen mit nur einem Gesprächsteilnehmer zu lösen und es akzeptierten lernte, dass sich seine Kommunikationspartner auch kurzzeitig anderen Menschen zuwendeten. Ihm fehlte hierfür das Verständnis. Passierte so etwas situationsbedingt ohne Vorankündigung, reagierte er sofort mit großer Unsicherheit, was sich in Äußerungen wie „Du sollst mal mit dem Dennis sprechen“ ausdrückte. Ein großer Fortschritt war es, als Dennis , wenn man ihm die Situation im voraus erklärte, akzeptierte, wenn man in seinem Beisein kurz mit einer anderen Person sprach. Inzwischen kann man mit Dennis „Konversation“, auch zu dritt oder zu viert führen. Man kann sich mit ihm über ein bestimmtes Thema unterhalten, ohne dass er das Gespräch aufkündigt und in ein stereotypisches Fragemuster verfällt oder unruhig reagiert.

Ein soziales und zwischenmenschlich eher großes Problem ergab sich ein dreiviertel Jahr vor der Einschulung, als Dennis durch den Gebrauch von Schimpfwörtern wie „blöder Peter“ oder „doofe Anneliese“ eine positive Verstärkung erfahren hatte, da sich als Erstreaktion alle Verantwortlichen ergehender mit ihm beschäftigt haben, um ihm die Bedeutung dieser Wörter zu erklären. Da Dennis aber die Bedeutung dieser Wörter zu dieser Zeit nicht wirklich begriff und sie anfänglich wahrscheinlich sogar wertfrei benutzte, er aber sehr wohl die vermehrte Aufmerksamkeit registrierte, setzte er diese Wörter zunehmend gezielt ein. Durch seine schnelle Auffassungsgabe in bestimmten Bereichen, hat diese ungewollte positive Verstärkung seine Verhaltensweise derart entgleisen lassen, dass er zum Schluss sogar bewusstes Treten und Schupsen eingesetzt hat, um diese Form von Aufmerksamkeit zu erzielen. Nur gezielte Ablenkung und Ignoranz, ohne emotionale Wertung der Situation, führte zu einer Minderung der oben beschriebenen Verhaltensweise. Da Kinder oder Außenstehende leider noch sehr wohl mit Eingehen auf dieses Verhalten reagierten, war es schwer, dieses Fehlverhalten zu korrigieren. Um so wichtiger war es, Dennis von diesem Verhalten umzulenken, da ihn solch ein sozialer Umgang unweigerlich in die Isolation geführt hätte.

Dennis und CarmenDa ich mir schon in der ersten Stunde als Dennis das Verhalten zeigte, der positiven Verstärkung, die auch ich ihm zuerst lieferte, bewusst wurde, konnte ich mein Verhalten ihm anpassen, so dass wir, laut der Mutter, deutlich weniger Schwierigkeiten mit Dennis hatten, als andere Einrichtungen und Personen. Wir ignorierten sein auffälliges Verhalten, so dass es für ihn völlig uninteressant wurde. Wir kämpften jedoch immer wieder dagegen an, da er in anderen Bereichen seines Lebens weiterhin positive Verstärkungen erhielt und so gestärkt in seinem Verhalten natürlich auch immer wieder bei uns auf die genannte Art und Weise versuchte, Aufmerksamkeit zu erreichen. Da wir ihm aber immer wieder die Aussichtslosigkeit seines Verhaltens deutlich machen konnten und er sich in der Therapiestunde immer wieder aus diesem Verhaltensmuster holen lies, war es meiner Meinung nach wichtig, Dennis weiterhin zu unterstützen, damit er diese Phase überwindet und wieder mehr soziale Kontakte aufbauen konnte, um eine Chance zu haben, in der Schule und vor seinen Mitschülern zu bestehen.

Dennis hat den Start in die Schule bestens gemeistert. Die Beschimpfungen kommen fast überhaupt nicht mehr vor. Er hat Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufgebaut und somit seine sozialen Kompetenzen deutlich gestärkt. Wir begleiten ihn noch in seinem ersten Schuljahr, damit sich dieser, doch „hart erkämpfte „Status festigen und Dennis glücklich in seiner Welt in die Zukunft gehen kann.